Die „Budapester Dialogische Schule“

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Der Name und die Grundstellung

Der etwas übertrieben offiziell klingende Name „Budapester Dialogische Schule“ birgt in Wirklichkeit eine geistige Gemeinschaft, die mehr als 50 Jahre lang unter illegalen Umständen gewirkt hat. Ihre Mitglieder vertreten den Vorrang des Geistes und verwerfen allen Institutionalismus. Sie durften weder unter dem nationalsozialistischen noch unter dem bolschewistischen Regime publizieren. Die Dialogische Budapester Schule vertritt den Vorrang des Geistes und näher den Vorrang des Wortes. Rationalismus und Irrationalismus sind Zerfallsprodukte des einheitlichen Geistes. Der Rationalismus ist ein zu enger Rahmen für die Erforschung der wirklichen Probleme des Geistes. Das lateinische Wort „ratio“ deckt nur einen Aspekt des Bedeutungsfeldes des griechischen „logos“. Was fehlt, wurde mit „verbum” übersetzt: das ist die lebendige Sprache, das persönliche Wort. Der Logos ist der Raum für die Erforschung der Wahrheit. Die Wahrheit ist kein gegenständliches, sondern ein persönliches, dialogisches Verhältnis. In diesem Sinne ist das Denken der dialogischen Budapester Schule logozentrisch: hier werden die ewige Grundfragen und -antworten im sprachlich-gedanklichen Umfeld des entmythologisierenden Zeitgeistes neu gedacht – die Fragen, die in der Bibel, von Plotin, der spekulativen Gnosis und Mystik, der klassischen deutschen Philosophie, Kierkegaard und den dialogischen Denkern aufgeworfen wurden.

Geschichte

1. Die Anfänge.

Die beiden zentralen Figuren der Gemeinschaft waren Lajos Szabó (1902-1967) und Béla Tábor (1907-1992). Sie begegneten einander zu Beginn der 1930er Jahre in der ungarischen oppositionellen Bewegung. (Dies war eine illegale linke antikapitalistische und antibolschewistische Bewegung, die sich auch an den intransigenten Marxismus von Karl Korsch knüpfte. Ihre geistige Führer waren nebst Szabó Pál Justus, Pál Partos und Andor Szirtes.) Schon der Umstand ihrer Begegnung ist emblematisch und bestimmt den Horizont, auf den sie sich zubewegen. Tábor besucht einen im Jaurès-Zirkel gehaltenen Vortrag Szabós. Sein Sohn schreibt darüber (s. Tábor Ádám, Találkozás a centrumban [Begegnung im Zentrum]):

Etwa 200–300 junge Menschen – korschistische Oppositionelle, Studenten, Trotzkisten, Kommunisten gemischt – versuchten, den religionshistorischen Erörterungen des damals noch marxistischen Denkers zu folgen. Nach dem Vortrag bat Béla Tábor, der hinten stand, um das Wort, und fasste das Gehörte folgendermaßen zusammen, ’wenn ich recht verstanden habe, so ist nach dem Referenten die Religion Revolution und die Kirche Konterrevolution’. Lajos Szabó riss den Kopf hoch und rief erfreut durch die Menschenmenge: ’Genau das wollte ich sagen.’ So begann ihre, ein Leben lang andauernde Freundschaft und die fast ein Vierteljahrhundert dauernde Arbeitsbeziehung.

Zur Mitte der dreißiger Jahre hatte sich ihr Weg vollkommen von jenem der marxistischen Bewegung getrennt. Béla Tábor schreibt dazu (in Szocializmus, gnózis és oppozíció [Sozialismus, Gnosis und Opposition]):

Korsch schrieb bereits in Marxismus und Philosophie: „Der Sozialismus ist in seinem Ziel und auf seinem ganzen Wege ein Kampf für die Verwirklichung der Freiheit.“ Wir beiden, Lajos Szabó und ich, die wir den spirituellen Kern der Opposition bildeten, waren auf der Grundlage des Prinzips von der Untrennbarkeit von Ziel und Mittel (so wie wir in der Marxismus-Kritik der „Anklageschrift“ deklarierten) die Freiheit nur in Form einer kontinuierlichen Spiritualisierung bereit, als Freiheit anzuerkennen, und erachteten dementsprechend die in den sozialistischen Bewegungen (und noch eher im Liberalismus) formulierten Freiheitsbestrebungen als Selbstbetrug oder als getarnte Unterdrückungsbestrebung.
Die Opposition betrachtete die Marxsche Unterscheidung von Theorie und Ideologie bereits in ihrem Ausgangspunkt, in der esoterisch-marxistischen Phase also als methodisches Grundprinzip. Das qualifizierende Attribut der „Linksorientierung”, die sie von der marxistischen Bewegung und mittels dieser von der Wertorientierung der Aufklärung des 18. Jahrhunderts geerbt hatte, akzeptierte sie ebenfalls mit der Deutung, dass eine Stellungnahme umso „linker“ ist, je radikaler sie die Theorie gegenüber der Ideologie zur Geltung bringt. Die Theorie bedeutet bei Marx die Suche nach der Wahrheit, die Ideologie aber das „falsche Bewusstsein“, das heißt ein „Bewusstsein“, dass statt der Suche nach der Wahrheit dem Machtinteresse (bei Marx: „Klasseninteresse“) dient. Die spirituale Opposition (die ich konsequent nur mit Lajos Szabó zu zweit repräsentierte) betrachtete es als ihre (geistige) Aufgabe, den theoretischen Kern aus der ideologischen Hülle herauszuschälen, und zwar in jeder geistigen Äußerung (daher erweiterte sich der Kreis ihrer geistigen Sensibilität zunehmend), doch wandte sie dieses Kriterium auch zur Beurteilung des Marxismus an – so enfernte sie sich zunehmend vom Marxismus, vor allem da sich dieser in einem immer stärkeren Maße mit seinem exoterischen, „vulgarisierten“, popularisierten Selbstverständnis identifizierte.

Am Maß dieser spirituellen Freiheitsidee gemessen arbeiten sie nicht nur die deutsche klassische Philosophie kritisch auf, die den unmittelbaren philosophischen Horizont des Marxismus bedeutet, sondern die gesamte europäische, griechische und hinduistische Tradition. Auf der Suche nach den Theoretikern, die die spirituelle Freiheitsidee am reinsten und konsequentesten vertreten, gelangen sie zur Aufarbeitung des Existenzialismus von Nietzsche und Kierkegaard, assimilieren sie Johann Georg Hamann, Plotin, die mittelalterliche spekulative Mystik, in erster Linie Meister Eckhart. Durch Ferenc Kepes, einen Schüler von Jenő Henrik Schmitt, übt dessen Gnosis eine starke Wirkung auf sie aus.[1] So gelangen sie zum wortzentrischen Biblizismus der dialogischen Denker – Ferdinand Ebner, Franz Rosenzweig und Martin Buber –, der das Verhältnis Ich-Du-Wort in den Mittelpunkt stellt. (Szabó wertete auch die zentralen Fragen der damals große Diskussionen auslösenden mathematiktheoretischen Grundlagenforschung von diesem – von ihm zuweilen auch als „sprachlicher Materialismus“ bezeichneten – Standpunkt aus um.

Auch Zoltán Békefi arbeitet mit ihnen zusammen. Von dieser Zeit stammt Szabós Freundschaft mit Lajos Vajda (1908-1941), dem hervorragenden abstrakt-sürrealistischen Maler. (Dokumenten der Freundschaft siehe hier (ungarisch).) Szabós Schüler sind die Dichterin und Kunsthistoriker Stefánia Mándy – Autor der ersten Vajda-Monographie –, Endre Bíró (Biochemiker und Joyce-Übersetzer), Magdolna Kertész.

2. Schriften 1930-1942

In 1936 – zeitlich zur Budapester Konferenz der Liga zur geistigen Zusammenarbeit – geben Szabó und Tábor die gemeinsam verfasste Werk „Vádirat a szellem ellen [Anklageschrift gegen den Geist]“ aus;. In ihr kritisierten sie die innerhalb des Geistes herrschende Autarkie, den Epigonismus, die babelsche Sprachverwirrung und den Terminologismus aufs Heftigste, und in diesem Sinne kritisieren sie die herrschenden Strömungen der Zeit, die Soziologie, den Marxismus, den Positivismus und die Psychoanalyse. In ihrer Kritik verfolgen sie ebenfalls die Methode „erst würdigen, dann angreifen“. Im Marxismus würdigen sie, dass er vor die Unterdrücktesten, die am meisten Leidenden die höchsten geistigen Ziele stellt, das heißt, theoretisch und praktisch das Bündnis von Denken und Leiden repräsentiert. Anderseits kritisieren sie nicht nur den Marxismus, sondern auch Marx selbst, dass er die spirituellen Ziele mit despiritualisierten Mitteln zu erreichen beabsichtigte:

Das persönliche Verhalten von Marx wurde zu einer Illustration der Unmöglichkeit seiner eigenen praktischen Methode: dessen, dass man mit despiritualisierten Mitteln nicht spiritualisieren kann – nur despiritualisieren. Vielleicht wollte Marx mit der materialistischen Phraseologie nur in der eigenen Sprache des Kapitalismus zum Kapitalismus sprechen – zu dem das Proletariat natürlich ebenso dazugehört wie die Kapitalisten –, doch wenn dem so war, dann hat er dabei seine eigene Muttersprache vergessen.

(Die Schriften von Szabó über Marx s. hier (ungarisch), über Nietzsche siehe hier (ungarisch).) Schon hier optieren sie zu einem Existentialismus, für den

Existenz die Existenz der „absolut persönlichen Position“ ist, wo „absolut“ und „persönlich“ gleich betont sind: ihre Polarität ist das Kennzeichen der Existenz.

Die absolut persönliche Position meint die Beziehung von Ich und Du, wo Ich-Du Beziehung und Sprache, Wort setzen einander wechselseitig voraus. Die Sprache, das Wort hat das menschliche Sein determinierende, kosmische Bedeutung. Um ihre Position zu erleuchten zitieren sie Rilke's Gedicht „Wenn es nur einmal so ganz stille wäre“ und Gedanken von Ferdinand Ebner's Werk Das Wort und die geistige Realitäten.

In 1937 Lajos Szabó publiziert das erste Heft seiner Logik des Glaubens – Theozentrische Logik . (Den Abschnitt Zeichen und Bild in englischer Übersetzung siehe hier.)

Tábor – der vor seiner Begegnung mit Szabó mit einigen Novellen als Schriftsteller anfing – beginnt sein Hauptwerk Bevezetés a valóság őstörténetébe [Einleitende Kapitel in die Urgeschichte der Wirklichkeit. (Einige Kapiteln sind – leider nur ungarisch – hier erreichbar.)
Nach jener Győrer Rede, in der Ministerpräsident Kálmán Darányi das erste Judengesetz ankündigte, entschloss er sein Buch A zsidóság két útja [Zwei Wege des Judentums] zu schreiben. Dies erschien Anfang August 1939, vier Wochen vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges. Ziel des Buches war die geistige Moblisierung der ungarischen Juden. Im Nachwort zur zweiten Ausgabe des Werkes schrieb Tábor, dass er das ungarischen Judentum aus seinem Abgestumpftheit, aus seiner Lebensform ausrütteln wollte, eine Lebensform, in die seit mehr Jahrzehnten das Wissen um die Bedrohung „eingebaut“ war.

Aus dieser Abgestumpftheit wollte ich sie mit Zwei Wege des Judentums aufrütteln. Ich hoffte, das Buch werde einen Beitrag zur geistigen Mobilisierung der ungarischen Juden leisten. Dazu war es notwendig, über den inneren – und vom Wesen her esoterischen – Gehalt ihres Judentums zu informieren, auf ihre spezifische und heikle historische Situation in der westlichen Kultur mit den sich daraus ergebenden Aufgaben hinzuweisen. [...] Die hohen Maßstäbe, die ihnen abverlangten, das eigene Verhalten, die eigenen Taten und Wert-Optionen nicht an den Fehlern anderer zu messen, sondern an der historischen Selbstverantwortung, sollten eine sich auf Selbstkenntnis stützende, selbstbewußte, sich selbst gegenüber strenge jüdische Generation heranziehen. Eine Generation, die – ohne Schwächung der gemeinschaftlichen Identität – all das in sich auszumerzen vermag, was den Horizont einschränkt, und sich – ohne Beeinträchtigung der universellen Sensibilität – die althergebrachten Gemeinschaftswerte aneignet. Wieviel Zeit dafür zur Verfügung stünde, wußte niemand; daß es nicht viel sei, meinte wohl jeder real Denkende; daß schier keine Zeit mehr blieb, weil die Katastrophe vor der Tür stand, ahnte noch niemand. [...]
Um flexibel auf die stetig wachsende Bedrohung reagieren zu können, war Geistesgegenwart notwendig. Und über Geistesgegenwart verfügen Gemeinschaften wie Individuen, wenn sie bei der Bewältigung von Situationen nicht gezwungen sind, ihr Daseinszentrum direkt zu mobilisieren - denn ein solcher Versuch erstickt nahezu zwangsläufig in Krampf und Panik. Vielmehr genügt es, die Energien aus den Kapillaren des eigenen körperlich-seelisch-geistigen Organismus auf die jeweilige Situation zu richten: Die Energien des Zentrums strömen hier so reichlich, frei und organisch, daß sie ganz nach Bedarf dosiert werden können.
Die Bedingung einer solchen Geistesgegenwart ist das, was Hölderlin an der Lebensform der griechischen Polis faszinierte: „jene Energie und Konsequenz, die auch in das Entfernteste die Übereinstimmung mit dem Mittelpunkt trägt.“ Damit formulierte er nicht nur das Maß der griechischen Polis, sondern jeder gemeinschaftlichen Identität. Das besagte Zentrum antwortet auf die Frage: Was ist das, womit sich die Gemeinschaft auf der höchsten Ebene identifizierte? Das Maß der Lebensform ist die Energie und Konsequenz, mit der die Gemeinschaft die höchste Ebene ihrer Identifizierung mit sich selbst noch am äußersten Randpunkt ihres Daseins widerspiegelt. In dem Maße, wie eine Gemeinschaft diesen Anspruch erfüllt, wird sie auch über genug Geistesgegenwart verfügen, um den Herausforderungen der Geschichte zu begegnen. Dazu bedarf es erstens einer Elite, die die höchste Identitätsebene der Gemeinschaft kennt, und zweitens einer Kommunikation zwischen der Elite und den übrigen Schichten der Gemeinschaft, die es ermöglicht, ja selbstverständlich macht, daß die gesamte Gemeinschaft in irgendeiner Form für die Wertewelt der Elite empfänglich ist.
Das Buch Zwei Wege des Judentums wollte die Judenfrage zur Frage der Juden machen, wobei es den Schlüssel zur Lösung in der Anhebung der Identitätsebene und in der freien Zirkulation der geistigen Energien des Judentums sah – in einer Spiegelung der höchsten Identitätsebene, die auch die entfernteste Peripherie erreicht. Eine ebenso konsequente Anwendung der biblischen Tradition wie ein Mittel zur Realisierung ist das gestrenge Festhalten an der biblischen Wertordnung, an der auf permanenter Spiritualisierung der Materie und des Materiellen basierenden Opferordnung.

Die jüdische Religion wird als die Religion der Opferordnung dargestellt, wo Opfer das höhere Wert Schaffen aus dem niedrigeren bedeutet.

In seinem Bibel und Romantik (1941-1943) charakterisiert Szabó die romantischen Periode als

das ausserordentlich dichte Auftreten von Werke, Versuche, Fragmente: Dichter, Künstler und Denker. Sie begannen universelle Wege auszugraben, und wollten die Faden der Tradition neu aufnehmen.

doch,

die Individuen, Charaktere oder Boten der Bibel solidarisierten miteinander jenseits Raum und Zeit, [...] sie sagten Ja aufeinander und auf den Weg, den sie gemeinsam folgten, die Autoren der romantischen Periode [aber] wissen nicht von einander, fortsetzen nicht einander und sagen nicht Ja aufeinander.

Szabó, der seinem Standpunkt zuweilen als „sprachlicher Materialismus“ bezeichnete, umwertete auch die zentralen Fragen der damals große Diskussionen auslösenden mathematischen Grundlagenforschung von diesem Standpunkt aus. In seiner Schrift Beiträge zu den Fragen der Mengenlehre (1938) analysiert er die Grundwidersprüche des Mengenbegriffs. (Ungarisch: hier.)

3. Nach 1945

Kurz nach dem Zweiten Weltkrieg setzen sie ein reges geistiges Leben in Gang. 1945 bilden Szabó, der aus Auschwitz heimgekehrt ist, und Tábor, der in der Ukraine im Zwangsarbeitslager war, gemeinsam mit dem Denker, Schriftsteller und Essayist Béla Hamvas eine Arbeitsgemeinschaft, und es beginnen die „Donnerstagsgespräche“. Szabó hielt in Wohnungen Vorlesungen über seine eingehenden werttheoretischen und wertpsychologischen Analysen (den ersten Vortrag siehe hier). Er machte sich sowohl die präphilosophische als auch die postphilosophische Anschauung zueigen – die indische Tradition und die Presokratiker einerseits, und die philosophie- und religionskritische Position von Kierkegaard, Dostojewskij und Nietzsche andererseits. Er legte seine „Sprachmathese“ dar, die die Sprachanalysen der modernen Logik und der mathematischen Axiomatik im Rahmen des neuen dialogischen Denkens und aufgrund des Primats des Geistes neu interpretiert. (Einige Grundthese siehe hier.)

Szabó és Tábor legten nach ’45 die Grundlagen für die Budapester Dialogische Schule. Zwischen ’45 und ’48 arbeiteten sie auch mit dem Denker, Essayisten und Autor von traditionalistischen-surrealistischen Romanen, Béla Hamvas zusammen. Szabó hielt in Wohnungen Vorlesungen über seine eingehenden werttheoretischen und wertpsychologischen Analysen. Er machte sich nicht nur die philosophische Tradition (Platon, Plotin, Baader, Hegel usw.), sondern sowohl die präphilosophische Situation (z. B. der indischen Tradition und der Presokratiker) als auch die postphilosophische Anschauung, die philosophie- und religionskritische Position von Kierkegaard, Dostojewskij und Nietzsche andererseits zueigen. Er legte seine „Sprachmathese“ dar, die die Sprachanalysen der modernen Logik und der mathematischen Axiomatik im Rahmen des neuen dialogischen Denkens und aufgrund des Primats des Geistes neu interpretiert. Attila Kotányi und György Kunszt, die aktivsten Teilnehmer der Seminäre, publizierten die Aufzeichnungen der Vorträgen in 1997 (hrsg. von László Surányi und Ádám Tábor). Andere wichtige Teilnehmer waren Endre Bíró (Biochemist und Joyce-Übersetzer), Gábor Bíró, Teilnehmer der späteren mathematik-theoretischen Diskussionen war auch der Mathematiker János Surányi.

Szabó ist auch aktiv an der Veranstaltungen der Európai Iskola („Europäische Schule” – die Gruppe der avantgardistischen Künstler und Kunst-Theoretiker zwischen 1945-48). Sein Művészet és vallás [Kunst und Religion] 1946 ist für diese Gruppe geschrieben.

Während des Stalinismus entstanden enge Verbindungen zwischen der Budapester Dialogischen Schule und vielen, ebenfalls verbotenen Avantgarde-Künstlern: die Dichterin und Kunsthistoriker Stefánia Mándy (Ehefrau von Béla Tábor), die Malerin Júlia Vajda, und Ilka Gedő (Ehefrau von Endre Bíró), der erste ungarische surrealistische Bildhauer József Jakovits, der Maler Endre Bálint (Lajos Vajda's Schüler und Freund) und ihre Ehefrau, Iri Richter, der Maler Béla Veszelszky. Szabó selbst wurde auch Kalligraph. 1956 emigrierte er mit einigen seiner Schüler erst nach Brüssel, dann nach Düsseldorf. Er hatte Austellungen u.a. in Düsseldorf, Dortmund, Essen, Bruxelles, Paris. Für eine Zeit signierte Szabó seine Zeichnungen mit dem Pseudonym AO, d.h. Anti-Organisation, später wurde dies ein zurückkehrendes Motiv seiner Werke.

In diese Zeit fallen die ersten grossen Diskussionen über das Verhältnis vom Wort und Bild, über das Thema „Primat von Wort oder Bild“, und „Primat von Wort oder Zahl“.

Béla TÁBOR (1907–1992) blieb auch nach 1956 in Budapest. Während des Kommunismus hielt er Seminare in seiner Wohnung. Schriftsteller, Maler, Kunsthistoriker, Architekten, Wissenschaftler gehörten zu seinen Schülern. Er führte intensive persönliche und theoretische Gesprächen mit ihnen. Dies hielt er, neben der geistigen Arbeit, für seine wichtigste Tätigkeit. Man ging meistens von (schöpferischen oder anderen aktuellen) persönlichen Problemen aus, um dann immer breitere Kreise um sie zu ziehen. Tábor verstand es, die auftauchenden Fragen theoretisch so zu vertiefen, daß dadurch auch das persönliche Interesse gesteigert wurde. Inzwischen arbeitete er stetig an seiner Pneumatologie: der Persönlichkeits-, Logos- und Symboltheorie. Erst seit der Wende erscheinen seine Bücher erneut, auch einige seiner neuere Schriften wurden veröffentlicht. In 2003 gab sein Sohn ein zusammenfassenden Band, Személyiség és logosz [Persönlichkeit und Logos, ungarisch] aus, hauptsächlich ein Auswahl aus seinem posthumus Werken.

Surányi László – Tábor Ádám



[1] Eugen Heinrich Schmitt (Schmitt Jenő Henrik, 1851–1916): Philosoph, zu Beginn ein Anhänger Hegels, 1888 macht er mit seiner von der Berliner philosophischen Gesellschaft ausgezeichneten Arbeit Das Geheimnis der Hegel’schen Dialektik auf sich aufmerksam. Zunächst ist er ein Verkünder des geistigen Anarchismus (Zeitschriften: Állam nélkül, Erőszaknélküliség, Ohne Staat), den er u. a. auch mit Reden vor allem im Kreise des Bauerntums in der ungarischen Tiefebene verkündete. Es wird ihm wiederholt der Prozess gemacht, doch wird er freigesprochen. Später arbeitet er seine auf intuitiven Grundlagen basierende Dimensionstheorie aus. Seine philosophische Richtung übte auf einen Teil der Schriftsteller zu Beginn des Jahrhundert – so auch auf Gyula Juhász – Einfluss aus. In Leipzig redigiert er die die drei Jahrgänge von Die Religion des Geistes. Seine Hauptwerke sind: Friedrich Nietzsche an der Grenze zweier Weltalter (Leipzig, 1900); Die Gnosis I-II, Leipzig – Jena, 1903; Die Kritik der Philosophie vom Standpunkte der intuitiven Erkenntnis, Leipzig, 1907; A szellem fejlődéstörténete [Die Entwicklungsgeschichte des Geistes], Budapest, Egyetemi Nyomda, 1920; Művészet, etikai élet, szerelem [Kunst, ethisches Leben, Liebe], Táltos, 1917.

Webseiten

Lajos Szabós Webseite

Béla Tábors Webseite (ungarisch)

László Surányis Webseite (ungarisch)

Bibliographie


Die Bibliographie der ungarischen Texte siehe hier

Deutsche Übersetzungen

Béla TÁBOR, Die zwei Wege des Judentums (1939, 1990),
Inhaltsübersicht
V. Kapitel, Selbstkritik des historischen Judentums übersetzt von Madeleine Merán
Nachwort zur zweiten Ausgabe, 1990 übersetzt von Madeleine Merán
(Den ungarischen Text siehe hier.)

Lajos SZABÓ, Kunst und Religion (Művészet és vallás) übersetzt von ?
(Den ungarischen Text siehe hier.)

Zeichentheoretische Thesen von Lajos Szabó
(aus der Theozentrischen Logik/2 und aus den Seminarvorlesungen, ausgew. von Béla Tábor, übersetzt von ?)

Lajos SZABÓ, Seminarvorlesungen 1946-1950
(hrsg. von Attila KOTÁNYI, György KUNSZT, László SURÁNYI und Ádám TÁBOR, Typotex, Budapest, 1997.)
Die erste Vorlesung übersetzt von Éva Zádor
(Den ungarischen Text siehe hier.)

EIKWN, Die spekulativen grafischen Bildschriften von Lajos SZABÓ (mit seinen theoretischen Schriften, ungarisch-deutsch), hrsg. von Attila KOTÁNYI
Ernst Museum, Budapest, 1997.

László SURÁNYI: Metaaxiomatische Probleme
Harri Deutsch, Thun und Frankfurt – Typotex, Budapest, 1999.

László SURÁNYI, Descartes, Bolyai, Lobatschewskij und die Zurückführung der Geometrie zu ihrer subjektiven Wurzel
in: Jenseits von Kunst, hrsg. P. Weibel, Passagen Verlag é.n. 614-617.

Béla TÁBOR: Lajos Szabós spekulative Zeichenkunst

Eine Auswahl aus den spekulativen Zeichnungen von Lajos SZABÓ aus den Jahren 1957–1967

Lajos VAJDA, 10 Bilder, mit einem Geleitwort von Stefánia MÁNDY (ungarisch-deutsch)
Corvina, Budapest, 1971.

Englische und französische Übersetzungen

Lajos SZABÓ, Two Chapters from the Logic of faith – Theocentric Logic (1937)
Will - Critique of the criticism
Sign and image

Lajos SZABÓ, A short summary of his theory of signs
selected by Béla Tábor (from Theocentric Logic/2 and from the texts of his seminar on the theory of signs), translated by Balázs Szendrői

Lajos SZABÓ, Lead or follow! – 3 shorter writings, translated by István Cziegler
Conscience
Genius
Mammon

Béla TÁBOR, Epilogue to the Second Edition of Two Paths of Jewry, 1990 translated by Jessica Sacks and Pál Hegedüs

Ádám TÁBOR, Concourse at the centre translated by Dániel Sipos

Béla TÁBOR, Judaïsme professionnel ou vision juive du monde ?

MÁNDY Stefánia, bálint [=Bálint Endre]
Desclée de Brouwer, 1967.

Schriften über die Autoren der Budapester Dialogischen Schule

Béla HAMVAS, Anklageschfrift gegen den Geist, Rezension übersetzt von ?*

Stefánia MÁNDY, Lajos Szabó oder die Avantgarde uralten Glaubens, übersetzt von ?*

Ádám TÁBOR, Concourse at the Centre, translated by Dániel Sipos (English)

Ein Gedicht von Paul CHAULOT aus dem Katalog zur Pariser Ausstellung, 1966 (französisch)

György KUNSZT, Zur Eröffnung der Graphikaustellung von Lajos Szabó im Jahre 1980*

Magda HUSZÁR, Blitzschlag und Regenbogen*

Danielle PINKSTEIN, Le Passage (französisch)

Ágnes HORVÁTH, Un penseur peintre : Lajos Szabó (1902 – 1967) et un peintre penseur : Lajos Vajda (1908 – 1941) (französisch)

*: Druck oder Neudruck in EIKON

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Kontakt:
L. SURÁNYI, lsuranyi@gmail.com
Á.TÁBOR, lantesij@gmail.com